Sven Hannawald vor der Skisprungschanze in Garmisch-Patenkirchen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Angelika Warmuth/dpa)

Skisprung-Olympiasiegerin Katharina Schmid nutzte ihren freien Tag bei den Europaspielen für einen ungewohnten Einblick. «Es war ganz cool, mal was anderes zu sehen», sagte Schmid, die früher Althaus hieß, über den Ausflug zu den Wettbewerben der Fechter nach Krakau.

Mal was anderes steckt auch im Programm dieser Europaspiele: Skispringen. Weil die olympische Zukunft der traditionsreichen Winter-Weitenjäger angesichts der Klimakrise bald im Sommer spielt? Möglich, sagen die einen. «Am Ende des Tages sind im Sommer alle im Schwimmbad, essen Eis – und keiner schaut Skispringen», sagt hingegen Sven Hannawald.

Die Springen von der Normalschanze, auf der Philipp Raimund am Donnerstag als bester Deutscher überraschend Vierter wurde, haben die deutsche Skisprung-Ikone ein bisschen bestätigt. Leere Ränge, wenig Stimmung. Und etliche Top-Athleten, die fehlten, etwa die Deutschen Markus Eisenbichler, Karl Geiger und Andreas Wellinger. Sie trainieren lieber in der Heimat, um im Winter bereit zu sein.

Schlechte Aussichten für Wintersport

Vor den Wettbewerben von der Großschanze an diesem Freitag und Samstag ist Hannawald von einer sommerlichen Zukunft seiner Sportart längst nicht überzeugt. «Ich sehe keine Chance, dass Skispringen bei den Sommerspielen stattfindet, solange es noch Winterspiele gibt – und das sehen bestimmt 95 Prozent aller Springer auch so», meinte der Triumphator der Vierschanzentournee von 2002. Die Wettbewerbe im Winter hätten «eine längere Geschichte, eine größere Historie».

Nur um die Zukunft ist es schlecht bestellt. Die Klimakrise sorgt für milde Winter, schneesicher sind immer weniger Winterstandorte. Neu ist die Sommer-Debatte deshalb nicht, bloß zeigen die Europaspiele, wie schnell auf einmal alles gehen kann. Sonnenschein, grüne Wälder, Springer, die sich in Shorts und T-Shirts aufwärmen. Das sind dieser Tage die Bilder aus Zakopane.

«Möglicherweise ist es ein Ausblick auf die Zukunft und damit eine Antwort auf die Frage nach der Nachhaltigkeit im Wintersport», sagte Olaf Tabor, der deutsche Chef de Mission. Es müsse sich zeigen, «wie sich solche Sommervarianten von Wintersportarten bewähren» würden. «Dass die Polen dies aufgegriffen haben, ist ein kreativer Umgang mit der Frage, die sich im Wintersport schon länger stellt.»

Raimund: «Mensch ist halt ein Gewohnheitstier»

Was es auch ist: eine kulturelle Frage. Die große Wintersport-Tradition des Skispringens, «für die neue Generation ist das vielleicht etwas anderes», sagt Hannawald, der mit dem ersten Grand-Slam bei der Tournee einst für ganz zauberhafte Wintertage sorgte. Die seit Jahren regelmäßig im eher kleinen Rahmen ausgetragenen Sommer-Wettkämpfe finden hingegen von der Öffentlichkeit größtenteils unbeobachtet statt.

Raimund, in Zakopane jüngster Springer im DSV-Aufgebot, argumentiert ähnlich wie Hannawald. «Für ältere Generationen ist das vielleicht schwerer, sich mit Sommer-Events anzufreunden, die tendieren eher zum Winter», sagt der 23-Jährige. Höhepunkte wie die Tournee seien bislang nur im Winter präsent gewesen. «Für viele ist die Situation, im Sommer zu springen, komisch. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier.»

Auf Schnee angewiesen sind die Athleten schon lange nicht mehr. «Die Technik bleibt die gleiche, Skispringen wird hauptsächlich im Sommer gelernt. Von klein auf ist das so», sagt Männer-Bundestrainer Stefan Horngacher. Das Verletzungsrisiko ist sogar geringer. «Im Winter landen ist schwieriger, da gibt’s mal weichen Schnee, mal Altschnee», erklärt Frauen-Chefcoach Maximilian Mechler. Matten sind Matten, «einige Athleten fühlen sich im Sommer wohler.»

Raimund und Schmid springen lieber im Winter, «zu warm» sei’s im Sommer unterm Helm, sagen beide. «Im Grunde sind wir Wintersportkinder, aber froh, dass unsere Sportart diese Option hat», erklärt Mechler. Olympia im Sommer «wäre eine Möglichkeit für die Zukunft – das ist aber eine weite Zukunft».

David Joram, dpa

Von