Die Vierschanzentournee startet am Donnerstag in Oberstdorf. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Karmann/dpa)

Karl Geiger im vergangenen Jahr, Markus Eisenbichler 2020 und davor schon einmal Geiger: Ging es für die Skispringer zuletzt zur Vierschanzentournee, kam mindestens einer der Topfavoriten auf den begehrten goldenen Adler für den Gesamtsieger aus Deutschland.

Dieses Jahr ist das anders. Beim Auftakt des Schanzen-Spektakels am Donnerstag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) in Oberstdorf heißen die aussichtsreichsten Flugkünstler Dawid Kubacki, Anze Lanisek oder Stefan Kraft. Die Vorfreude beim deutschen Team ist trotzdem groß. Und die Hoffnung auf eine erfolgreiche Tournee ist es auch.

Auftakt am Schattenberg

Vom bislang eher trostlosen Saisonverlauf lassen sich Geiger, Eisenbichler oder Andreas Wellinger die Lust auf den ersten großen Saisonhöhepunkt nicht nehmen. «Ich freue mich extrem auf Zuschauer, auf volle Stadien», sagt Geiger. Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Arena am Schattenberg mit mehr als 25.000 enthusiastischen Fans wieder komplett voll.

«So ganz vorstellen kann ich mir das fast gar nicht mehr. Mich reizt es, ich bin gespannt», sagt Geiger und Wellinger meint: «Jeder ist heiß drauf. Ich würde sagen, in Oberstdorf ist auf der Tournee die geilste Stimmung – eigentlich vom gesamten Winter.» Der Olympiasieger von 2018 ist sich sicher, «dass es eine geile Veranstaltung, eine geile Show wird».

Damit es das auch sportlich aus deutscher Sicht wird, müssen sich die Springer allerdings deutlich steigern. Geiger liegt als Bester aus der Mannschaft des Deutschen Skiverbandes (DSV) im Gesamtweltcup auf Rang sieben. Im vergangenen Jahr trat er noch als Spitzenreiter beim Tournee-Auftakt in seiner malerischen Allgäuer Heimat an. Mit Kampfansagen an die Konkurrenz und verbalen Träumereien vom ersten deutschen Tourneesieg seit Sven Hannawald vor 21 Jahren hält sich der 29-Jährige entsprechend zurück.

Starke Gegner

Geiger sagt mit Blick auf die in dieser Saison so starken Topspringer aus Polen (Kubacki), Slowenien (Lanisek), Österreich (Kraft) oder Norwegen (Halvor Egner Granerud): «Die springen einfach eine extrem feine Klinge und haben einen unglaublich stabilen Sprung. Da gucke ich schon und denke: Irgendwas müssen die deutlich richtiger machen als ich momentan.» Geiger fügt aber an: «Die zaubern auch nicht.»

Er ist überzeugt: «Es fehlt nicht ganz so viel.» Und Geiger weiß: Mit seiner Klasse und der Erfahrung von Weltcupsiegen, WM-Titeln sowie Olympia-Medaillen kann ein Erfolgserlebnis reichen und plötzlich ist die Form wieder da.

Das sieht auch Bundestrainer Stefan Horngacher so. «Er muss sich schon steigern. Im Skispringen kann es aber Gott sei Dank sehr schnell gehen», sagt der Österreicher über die Siegchancen seines Vorzeigeathleten. Er sieht es pragmatisch. «Wir sind schon in Topform zur Tournee gekommen, im Gelben Trikot, mit zwei Topleuten, und haben auch nicht gewonnen», meint Horngacher. Der Coach sagt sogar: «Ich finde es diese Saison gar nicht schlecht.» Sein Team sei im «Arbeitsmodus», Konzentration und Motivation seien hoch.

Motto für die Weihnachtstage: Entspannung

Nach der Tournee-Generalprobe in Engelberg schoben die DSV-Adler noch einen Trainingsblock an der Oberstdorfer Schattenbergschanze ein. Danach hieß es: Entspannen und beim Weihnachtsfest mit der Familie den Kopf frei kriegen vor zehn sehr intensiven Tagen.

Das soll nicht zuletzt auch Eisenbichler guttun. Der 31-Jährige, der in der Vorbereitung mit Verletzungen zu kämpfen hatte, kommt in diesem Winter noch überhaupt nicht an seine Verfassung der vergangenen Jahre heran. Wer den emotionalen Bayer in der aktuellen Saison an den Schanzen verfolgt, sieht ihn hadernd, wütend und suchend. Das Sprunggefühl ist weg. Anders als in den vergangenen Jahren sind für Eisenbichler nicht Podestränge der Maßstab, schon Top-Ten-Plätze sind längst kein Selbstläufer mehr.

Früher war es so: Wenn es bei Geiger mal nicht so lief, sprang oft sein Kumpel und Zimmerkollege «Eisei» ein. Wenn der mal nicht gut drauf war, überzeugte Geiger häufig. «Wir werden alles reinlegen», verspricht Geiger auch diesmal. Vielleicht klappt es ja aus der ungewohnten Außenseiterrolle heraus mit dem ersehnten Tournee-Triumph.

Thomas Eßer und Patrick Reichardt, dpa

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