Wurde Dritte in Winterberg: Skeletonpilotin Hannah Neise. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Friso Gentsch/dpa)

Die Scheu ist gewichen. Aus der einst eher schüchtern wirkenden Skeletonpilotin Hannah Neise ist zehn Monate nach ihrem Überraschungs-Coup in Peking eine selbstbewusste Athletin geworden.

«Ich fühle mich immer noch so klein, wie ich vorher war, aber klar habe ich mich in gewisser Hinsicht in meinem Selbstbewusstsein verändert. Das fällt mir mittlerweile auch selber auf, was auch positiv ist, weil ich mich immer noch als kleines Küken sehe», sagte die 22-Jährige nach ihrem dritten Platz beim Weltcup auf ihrer Heimbahn in Winterberg. 

Der ganze Rummel nach ihrem Olympiasieg war trotz der Überforderung mit ein wenig Abstand betrachtet sogar lehrreich: «Ich musste lange daran arbeiten, dass ich damit klarkomme. Auch mit der Ausbildung und dem ganzen Stress. Das hat mir die ganze Olympia-Situation auch mit auf den Weg gegeben, dass ich nicht immer zu allem Ja und Amen sage.»

Hilfe von der Mama

Den Druck vom Gold-Coup will sie jetzt nicht mehr so an sich heranlassen. «Ich persönlich stelle den Olympiasieg eher als einzelnes Rennen hin und grenze den so ein bisschen ab», sagte sie. Im Sommer war das noch anders. Da war die Goldmedaille «eine Last», die Verarbeitung gelang erst langsam. Hilfe bekam sie dabei von ihrer Mama, «die viel mit mir macht und die früher schon spirituell war und mir da viel eingeredet hat. Ich denke, dass sie mir da schon viel auf dem Weg mitgegeben hat», meinte Neise. Um vor den Wettkämpfen etwas herunterzukommen, hört sie oft Audios. Denn, «wenn das Fass voll ist, ist es voll, dann muss man sich neu finden und das Ganze wieder von vorne angehen, dann geht’s besser», sagte Neise, die aus dem sauerländischen Schmallenberg kommt.  

Sie geht nach dem Motto «Hab Spaß, es kommt alles, wie es kommen soll, einen gewissen Grund hat alles, was passiert» an den Start. Auch bei der WM in St. Moritz Ende Januar. Bis dahin will sie sich «im Weltcup etablieren». Hauptaugenmerk ist nach wie vor die Verbesserung am Start. So wie am Freitag beim Heimrennen, wo sie am Start schneller als Weltmeisterin Tina Hermann war und somit noch auf Platz drei fuhr. Auf die siegreiche Niederländerin Kimberley Bos hatte sie 0,16 Sekunden Rückstand. Zweite wurde die Kanadierin Mirela Rahneva. «Ich bin super zufrieden, hier auf der Heimbahn auf’s Podest zu fahren. Das war ein Traum, den ich mir erfüllen konnte», sagte Neise.

Allerdings denkt sie über die Risiko-Sportart Skeleton mittlerweile auch anders. «Je älter man wird, desto mehr denkt man darüber nach. Ich würde solche Sachen dann auch nicht anfangen wollen», sagte sie und betonte: «Ich habe mit zwölf Jahren mit Skeleton angefangen, mit 17 dann Autofahren.» Da taste sie sich «langsam ran». Sie könne zwar am Lenkrad schnell fahren, «mache es aber nicht gerne». Auch sei sie sehr ungern Beifahrerin, «denn wenn ich alles selber unter Kontrolle habe, ist alles okay, so wie auf meinem Schlitten». 

Frank Kastner, dpa

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