Gilt als Favorit bei den Herren: Aleksander Aamodt Kilde aus Norwegen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Expa/Johann Groder/APA/dpa)

Die kleinen Buden, Bühnen und Zelte im Stadtkern symbolisieren sowohl die Rückkehr zum Normal- als auch den Ausnahmezustand. Die alpinen Weltcups auf der Streif und dem Ganslernhang sind die Highlights des Jahres in Kitzbühel.

Zigtausende Menschen säumen in der Regel dann die Straßen im Tiroler Skiort. Nach zwei Jahren coronabedingter Einschränkungen und mitunter gespenstischer Atmosphäre ist Kitzbühel diesmal wieder bereit für die ganz große Sause.

Der Schnee, der in den vergangenen Tagen dazu kam, sorgt für den passenden Rahmen. Er verdeckt zumindest vorübergehend die Klima-Sorgen, die den Wintersport seit Jahren und derzeit besonders begleiten. Es scheint, als stünde bei den berühmten Hahnenkamm-Rennen tatsächlich mal wieder der Sport im Fokus des Spektakels.

Preisgelder von einer Million Euro warten

Die Streif sei «immer ein Erlebnis», sagte die frühere Skirennfahrerin und Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch, die zu den vielen prominenten Gästen gehört, dem ORF. Mausefalle, Karussell, Lärchenschuss, Hausbergkante – die Schlüsselstellen der legendären Strecke sind jedem Sport-Fan ein Begriff. Spitzengeschwindigkeiten von 140 km/h erreichen die Athleten, wenn sie bei den Abfahrten am Freitag und Samstag den Hang hinunterjagen. Die maximale Neigung beträgt 85 Prozent, die Sprünge gehen bis zu 80 Meter weit.

Wer hier gewinnt, erreicht Heldenstatus – und macht ordentlich Kasse. Ein Preisgeld von einer Million Euro wird über das gesamte Wochenende ausgeschüttet. Die Sieger der zwei Abfahrten und des Slaloms am Sonntag erhalten jeweils 100.000 Euro. Und werden von der Masse gefeiert.

Klima-Diskussion spielt keine große Rolle

2021 waren wegen der Pandemie gar keine, 2022 nur 1000 Zuschauer pro Renntag an der Strecke zugelassen. Diesmal wird’s im Zielraum wieder voll. Zwar werden pro Rennen maximal 25.000 Tickets verkauft, dazu dürften aber noch zahlreiche VIP- und Ehrengäste für Stimmung sorgen. «Die Atmosphäre ist schon wichtig», sagte Bundestrainer Christian Schwaiger der Deutschen Presse-Agentur voller Vorfreude. «Unser Sport lebt davon.»

Vor allem lebt er vom Schnee. Und von dem gab’s in Kitzbühel, anders als an vielen anderen Weltcup-Orten im bisherigen Saisonverlauf, seit der Nacht von Dienstag auf Mittwoch genug. Generell stellt der Klimawandel auch die Organisatoren der berühmtesten Abfahrtsrennen der Welt vor große Herausforderungen.

«Es hat uns viele Nerven gekostet. Aber das Thema Wetter gibt es, seit es Hahnenkamm-Rennen gibt. Es ist eine unendliche Geschichte», sagte der Präsident des Kitzbüheler Ski-Clubs, Michael Huber, dem «Standard» kürzlich. Etwas neblig war es heute. Die für die Renntage erwarteten Minusgrade dürften der Piste aber guttun – und die zuletzt omnipräsente Klima-Diskussion etwas an den Rand drängen.

Favoriten kommen aus Norwegen und der Schweiz

Nebenrollen nehmen wohl auch die deutschen Speed-Herren ein. Vor den Höhepunkten der Saison in Kitzbühel und bei der WM in Frankreich in zweieinhalb Wochen kriseln sie. «Wir müssen technisch sauberer fahren und uns wieder mehr am Limit bewegen», sagte Coach Schwaiger. «Wir haben definitiv andere Ansprüche als 15., 20. oder 30. zu werden.»

In Gröden, Bormio und Wengen hatten zuletzt gerade die WM-Zweiten Romed Baumann und Andreas Sander enttäuscht und die Top Ten klar verpasst. Am Material liege es aber wohl nicht, meinte Schwaiger. «Ich glaube, wir müssen die Verantwortung bei uns selbst suchen.»

Sein Zugpferd Thomas Dreßen, 2018 Sieger auf der Streif, sieht der 54-Jährige derweil «auf einem guten Weg». Hier und da fehle dem besten deutschen Speedfahrer noch das letzte Selbstvertrauen. Das sei nach all den gesundheitlichen Rückschlägen und Rennpausen, die Dreßen zu verkraften hatte, aber normal. Dem 29-Jährigen selbst geht es vor allem darum, den Spaß am Skifahren wiederzufinden.

Favoriten sind andere: der in diesem Winter bislang überragende Norweger Aleksander Aamodt Kilde und der Schweizer Olympiasieger Beat Feuz etwa. Das Duo gewann bereits im Vorjahr – damals ohne die große Party.

Christoph Lother, dpa

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