Skispringer Karl Geiger gewann die Bronzemedaille. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Daniel Karmann/dpa)

Als der ausgelassene Jubel verklungen war, wurde Karl Geiger ganz ruhig und nachdenklich. Der 29-Jährige wirkte wie von einer Last befreit, hatte durch den Gewinn der olympischen Bronze-Medaille seinen Frieden mit der gigantischen Skisprung-Anlage von Zhangjiakou gemacht.

Mit eindrucksvollen Worten beschrieb der Oberstdorfer seine Gefühlswelt auf dem Weg zum nicht mehr für möglich gehaltenen Erfolg. «Es ging mir dreckig. Ich habe keine Ahnung mehr gehabt, was ich hier eigentlich zu suchen habe», sagte Geiger mit Blick auf die erste Olympia-Woche. «Ich habe nur Haue gekriegt und eigentlich nie gewusst, wie ich da wieder rauskomme.» Platz 15 im Einzel von der Normalschanze, das Aus im Mixed-Team nach dem ersten Durchgang und ein verkorkster Sprung nach dem anderen hatten ihm zu schaffen gemacht. Gerade noch rechtzeitig gelang es Geiger, «einen Schalter im Kopf» umzulegen. Er startete wieder bei Null, «als würde ein neugeborenes Küken aus dem Ei schlüpfen und loslegen».

Der Oberstdorfer musste sich auf der Großschanze nur dem norwegischen Olympiasieger Marius Lindvik und dem zweitplatzierten Japaner Ryoyu Kobayashi geschlagen geben. «Es ist unglaublich, was heute hier passiert ist», kommentierte Geiger seinen nicht mehr für möglich gehaltenen Leistungssprung. «Ich kann das noch gar nicht beschreiben, was das bedeutet, dass sich das gedreht hat.»

Als Favorit gehandelt

Als Führender der Weltcup-Gesamtwertung war er nach China gereist und entsprechend als Favorit gehandelt worden. Das Problem: Diesem Anspruch wurde er von Beginn an nicht gerecht. Die Disqualifikation von Katharina Althaus bei der Winterspiele-Premiere des Mixed-Wettkampfes war ein weiterer Tiefschlag, der Geiger tagelang im Kopf herumspukte. Nur in ganz kleinen Schritten steigerte er sich.

So richtig gut, lief es aber tatsächlich erst am Samstag. Zwei famose Sprünge auf 138 Meter ließen nicht nur Geiger, sondern auch sein Team jubeln. Kumpel Markus Eisenbichler war mit seinem fünften Platz ebenfalls zufrieden. Für eine Medaille habe es zwar nicht ganz gereicht, «aber für einen von uns ist es ausgegangen. Das ist das Wichtigste.»

Geigers Stützen auf dem Weg aus dem Tief waren vor allem das Team und seine Frau Franziska. «Ich war ziemlich am hadern und nicht gut gelaunt», berichtete er. Er habe «unheimlich viel Unterstützung» gekriegt. «Ich bin unglaublich dankbar.» Einen Tag nach seinem Geburtstag freute sich Geiger nach Interview-Marathon und Dopingkontrolle auf den Anruf bei seinen Liebsten in der Heimat.

Selbstvertrauen vor Team-Event

Vor dem abschließenden Mannschaftsspringen am Montag sammelte nicht nur er Selbstvertrauen. Er nahm seinen Kollegen nauch Druck. «Das ist wie eine Erlösung für das gesamte Team», sagte Bundestrainer Stefan Horngacher über das Ergebnis. «Wir haben echt schwere Tage hinter uns. Heute war ein ganz wichtiger Wettkampf für uns – ob wir die Kurve kriegen oder nicht. Mit der Medaille ist klar, dass wir sie definitiv gekriegt haben.»

Ein komplettes Olympia-Fiasko ohne Medaillengewinn für die Springer droht nun nicht mehr. Das hatte es letztmals 2006 in Turin gegeben. Anschließend hatten die Adler des Deutschen Skiverbands (DSV) immer mindestens einen Podiumsplatz geholt. Bei den vergangenen Winterspielen in Pyeongchang räumten die deutschen Skispringer sogar starke drei Medaillen ab. Andreas Wellinger gewann Gold auf der Normalschanze und Silber auf der Großschanze. Zudem gab es Silber im Team. Ein Podiumsplatz scheint für das deutsche Quartett nun erneut möglich.

Von Thomas Eßer und Claas Hennig, dpa

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