Markus Eisenbichler ist beim zweiten Springen des Weltcups in Nischni Tagil nur knapp an einem Podestplatz vorbeigesprungen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Vesa Moilanen/Lehtikuva/dpa/Archivbild)

Lust, Frust, Jubel, Ärger, Erleichterung: Inmitten aller Corona-Wirren hat Flieger Markus Eisenbichler alle Gefühlslagen an einem Wochenende erlebt.

Deutschlands bester Skispringer war am Samstag noch wegen einer Windböe nach 80 Metern gelandet, einen Tag später meldete er sich mit einem vierten Platz und starken Flügen auf 127 und 129,5 Meter zurück. «Passt», rief «Eisei» knapp in die Kamera. «Ich bin schon happy. Gestern habe ich mit mir gehadert, mit dem Gefühl hatte ich heute schon zu kämpfen. Mit solchen Rückschlägen muss man leben.»

Die Podestserie ist zwar beendet, das Gelbe Trikot weg, doch die positiven Gefühle überwogen nach zwei turbulenten Sprungtagen. Am Samstag hatte der Bayer in einer ersten Reaktion noch gezürnt: «Ich bin stinksauer – auf mich und auf die Jury. Fuck!» Beide Erfolge gingen an den Norweger Halvor Egner Granerud, der nun auch mit dem Gelben Trikot zur Skiflug-WM nach Planica reist. Eisenbichler betonte, er reise mit einem guten Gefühl weiter.

Während das deutsche Team die Flugshows seines Vorzeigeathleten genießen kann, wirft die zweite kräftige Welle an Corona-Fällen bei Österreich Fragen auf, wie es mit dem Weltcup weitergehen kann. Die ÖSV-Adler reisten ohnehin mit einem B-Team an, weil Trainer Andreas Widhölzl sowie die Schanzen-Stars Stefan Kraft, Gregor Schlierenzauer und zwei weitere Athleten schon infiziert sind. Am Sonntag verkündete der Verband, dass es vier weitere Positivfälle gibt. Darunter Daniel Huber, der am Samstag noch Rang zwei eingefahren und diesen im russischen Eisschrank auf dem Siegerpodest gefeiert hatte.

Symptomfrei sind von den schon länger positiv Getesteten längst nicht alle. Schlierenzauer beklagte heftige Kopfschmerzen, auch der letztjährige Gesamtweltcup-Sieger Kraft nährt Zweifel, ob er zeitnah wieder dabei sein kann. «Mein Fitnesszustand ist bei weitem noch nicht so, dass ich Bäume ausreißen könnte, da fehlt noch einiges», erzählte Kraft. Planica werde «ein Wettlauf gegen die Zeit und wird eine Last-Minute-Entscheidung».

Trainer und Verantwortliche loben zwar wiederholt das Bubble-Konzept mit Charterflügen und Abschottung von der Außenwelt. Wie schwer Corona es den Fliegern in diesem Winter aber machen kann, zeigt auch der Fall von Sandro Pertile. Der Fis-Rennleiter und Nachfolger von Walter Hofer ist selbst positiv getestet und muss sich nun in eine zweiwöchige Quarantäne begeben. «Ich werde sicher nicht in Planica sein. Wir sind bereit für einen Plan B. Das waren wir schon zum Anfang der Saison», sagte der Italiener in einem selbst gedrehten Handyvideo aus seiner Quarantäne.

Neun positive Österreicher und ein infizierter Skisprung-Chef: Die Vorzeichen für den ersten Saisonhöhepunkt, den die große Fliegerei in Planica ab Donnerstag darstellt, könnten günstiger sein. «Jetzt wird es langsam eng, auch für die Tournee», sagte der frühere Vierschanzentournee-Sieger Sven Hannawald, der seit diesem Winter als Experte für die ARD arbeitet.

Geht organisatorisch alles glatt, richten sich derzeit viele Augen auf Deutschlands Top-Flieger Eisenbichler. Am Samstag schien der dritte Saisonsieg schon für ihn reserviert, bevor ihn der Wind böse ausbremste. «Wir sind froh, dass er auf beiden Beinen gelandet ist und nichts passiert ist», kommentierte Bundestrainer Stefan Horngacher zu dem Versuch, der auch übler hätte enden können als mit Rang 28.

Bei Temperaturen von bis zu minus zehn Grad ließ Eisenbichler seinen ganzen Frust raus – und sprang am Sonntag mit zwei soliden Flügen wieder in die Top-Ränge. Hinter Eisenbichler hat sich Pius Paschke zum stärksten deutschen Springer entwickelt, er belegte die Ränge fünf und 14. Für Olympiasieger Andreas Wellinger, der erneut zweimal die Punkteränge verpasste, steht nun erstmal eine Pause an. Für Planica dürfte er in seiner aktuellen Form kein Kandidat sein.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa