Skispringer Andreas Wellinger in Aktion. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Angelika Warmuth/dpa)

Die Lebensfreude und Lust am Lachen hat sich Andreas Wellinger auch in seinen schwersten sportlichen Zeiten nie nehmen lassen. Bei der Vierschanzentournee passt die gute Laune des Skisprung-Olympiasiegers von 2018 seit Langem auch wieder zu seinen Darbietungen auf der Schanze.

Während die Erfolgsgaranten der vergangenen Jahre, der in der Innsbruck-Quali gescheiterte Karl Geiger und Markus Eisenbichler, ihren Erwartungen hinterherspringen, ist Wellinger ein Lichtblick im deutschen Team. Der erste Podestplatz in einem Weltcup-Einzel seit über vier Jahren scheint so realistisch wie lange nicht.

«Die Schlaufe wird immer lockerer und irgendwann kommt der Punkt, an dem der Knoten auch wieder ganz aufgeht», sagte Wellinger zur Tournee-Halbzeit. Am malerischen Rießersee scherzte er bei einer Medienrunde des Deutschen Skiverbands mit Geiger. Auch abseits der Schanze nimmt Wellinger mit seiner entspannten Art in der Mannschaft eine zentrale Rolle ein. Noch wichtiger ist aber natürlich: Platz sechs in Oberstdorf, Rang acht beim Neujahrsspringen sowie Position sechs in der Tournee-Gesamtwertung zeigen, dass Wellinger zurück in der erweiterten Weltspitze ist.

Plötzlich Hoffnungsträger

Und plötzlich ist der Bayer der einzige Hoffnungsträger im deutschen Team. Nachdem Geiger am Dienstag als 51. vorzeitig ausschied, wird Wellinger mit großer Wahrscheinlichkeit zum besten Deutschen bei dieser Tournee. Mit Rang 15 hatte er in der Quali selbst noch Luft nach oben, doch das Vertrauen in die eigene Stärke ist grundsätzlich zurück. «Ich freue mich drauf. Ich hoffe, dass der Regen morgen nicht da ist. Ich mag den Bergisel. Ganz geknackt habe ich ihn noch nicht, aber die Idee ist da, wie es funktionieren kann», sagte Wellinger auf der beeindruckenden Schanzenanlage.

Dass es der Actionsport-Fan noch einmal so weit nach oben schafft, war nicht unbedingt abzusehen. Mit drei Medaillen – darunter Gold im Einzel von der Normalschanze – prägte Wellinger die Winterspiele von Pyeongchang. Ein Kreuzbandriss im Juni 2019 änderte den Karriereverlauf dann aber komplett. Bei der Tournee gibt Wellinger Einblicke in seine Gefühlswelt beim harten und langen Kampf um die Verfassung früherer Tage.

«Gerade, wenn die Realität mit dem Kreuzbandriss kommt und du sitzt da und denkst, scheiße, ich kann nicht mal eine Kaffeetasse in die Hand nehmen, ist das ziemlich deprimierend», sagte Wellinger. «Ich musste den anderen Jungs beim Springen zuschauen und dachte mir: Verdammt, da möchte ich auch dabei sein.» Seine Motivation verlor Wellinger aber zu keinem Zeitpunkt der Formsuche. «Ans Aufhören habe ich zum Glück nie gedacht», stellte er klar.

Wellinger wurde zwar wieder fit, doch sein Sport hatte sich weiterentwickelt. Dinge, die vorher gut liefen, klappten einfach nicht mehr. Der frühere Leistungsträger und Siegspringer rutschte zeitweise aus dem Weltcup-Team. Für Winter-Olympia 2022 in China wurde er nicht nominiert. Im vergangenen Sommer deutete sich dann endlich an, dass es aufwärts geht. Als deutscher Meister startete Wellinger in den Weltcup. Derzeit ist er aus dem Team von Bundestrainer Stefan Horngacher nicht wegzudenken.

Lob vom Coach

«Das, was er jetzt geleistet hat, war sehr, sehr gut. Da sind wir sehr zufrieden», lobte der 53 Jahre alte Coach seinen Sportler. «Man muss bei den Top Ten anfangen, wenn man wieder nach vorne kommen will.» Das Ziel ist ein Comeback auf dem Podium.

«Es sind drei, vier Meter zu wenig, dass man vorne mit anschreibt», sagte Wellinger. «Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg. Den werde ich weiter voll motiviert angehen.» Auch das Tournee-Podest ist noch nicht komplett außer Reichweite – selbst, wenn die Spitzenspringer um den überragenden Norweger Halvor Egner Granerud derzeit fast unschlagbar scheinen.

«Wir wollen den ersten Drei das Leben ein Stück schwerer machen», sagte Wellinger mit Blick auf die kommenden Tournee-Wettbewerbe in Innsbruck an diesem Mittwoch (13.30 Uhr/ARD und Eurosport) und Bischofshofen. In typischer Art ergänzte er: «Wir wollen die Tür aufmachen und nicht nur reinschauen, sondern die Tür möglichst eintreten.»

Thomas Eßer und Patrick Reichardt, dpa

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