Der Norweger Ole Einar Bjoerndalen, Trainer der chinesischen Mannschaft, steht an der Strecke. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa)

Wenn es sein muss, läuft Ole Einar Björndalen auch einen Halbmarathon im Hotelzimmer. So geschehen während der dreiwöchigen Corona-Quarantäne des besten Biathleten der Geschichte im Frühjahr 2021 in China.

Für ein Trainingslager waren der Norweger und seine Ehefrau Darja Domratschewa gekommen, um bei ihrer heiklen Olympia-Mission Fortschritte zu machen. Auch sie mussten sich wie jeder Einreisende zunächst lange isolieren, ehe sie ihre umstrittene Aufbauarbeit als Trainergespann fortsetzen konnten. Auf zehn mal zehn Metern eine besondere Herausforderung für die Bewegungsjunkies.

Björndalen: «Medaillen wären großartig»

«Unser Ziel ist es vor allem, die Athleten so weit wie möglich zu entwickeln. Wenn alles gut läuft, wenn wir Medaillen holen können, wäre das großartig», sagte Björndalen in einem Interview auf der Olympia-Homepage. Edelmetall dürfte für die Chinesen bei den Heimspielen von Peking (4. bis 20. Februar) ein Traum bleiben. Weit sind sie von der Spitze entfernt und dürften bei den Wettkämpfen in Zhangjiakou höchstens für eine kleine Nebenrolle gut sein.

Als Björndalen (48) und die Belarussin Domratschewa (35) im Herbst 2019 die Verantwortung für die Chinesen übernahmen, war das Staunen in der Szene groß. «Sie haben sich in ein Haifischbecken begeben. Da hätten sie anderen Teams mehr Nutzen bringen können», sagte auch ARD-Expertin Kati Wilhelm jüngst. Doch das berühmteste Biathlon-Paar entschied sich sicher auch nicht zuletzt wegen der angeblich sehr fürstlichen Entlohnung für das kräftezehrende Projekt in Asien.

Björndalen und Domratschewa, die Eltern von Tochter Xenia sind, bringen es zusammen auf stolze zehn Olympiasiege, 22 WM-Titel und sieben Gesamtweltcuperfolge. Kaum jemand weiß besser, wie man sich auf einen Höhepunkt vorbereitet, sich schindet und dem Erfolg alles unterordnet. Den «Kannibalen» nannte man Björndalen vor seinem Rücktritt im Frühjahr 2018, weil er einfach immer gewinnen wollte, sich nie zufrieden gab und seine Gegner so zermürbte.

All das ihren Schützlingen zu vermitteln, ist aber eine Aufgabe, die schwer umzusetzen ist, wie Cheftrainer Björndalen und die für die Frauen verantwortliche Domratschewa feststellen mussten. Nur mit mehreren Dolmetschern ist die Verständigung mit den Sportlern gut möglich. Trainiert wurde in den vergangenen Jahren nicht nur in China, sondern auch in Björndalens norwegischer Heimat oder den Alpen. Mit mäßigem Erfolg. Wer die Gesamtweltcup-Liste durchforstet, der findet die 22-jährige Yuanmeng Chu als beste Frau auf Platz 60 und bei den Männern auf Rang 64 Fangming Cheng. Eben jener schaffte als Zwölfter im Sprint von Oberhof in der Olympia-Saison das beste Resultat.

Norweger zum achten Mal in Folge bei Olympia

«Biathlon ist ein sehr unberechenbarer Sport. Man braucht ein hohes Maß an Vertrauen in den Moment, aber wir glauben beide, dass es möglich ist, gute Ergebnisse zu erzielen», sagte Domratschewa, die wie ihr Ehemann 2018 zurücktrat. Sie wurde in Pyeongchang noch Olympiasiegerin mit der Staffel, Björndalen war damals Teil des Trainerteams von Belarus, weil er sich selbst im starken norwegischen Team nicht mehr qualifizieren konnte. Zum achten Mal nacheinander ist der 20-malige Weltmeister nun bei Olympia dabei. Allerdings in einer Funktion, die in seiner skandinavischen Heimat kritisch gesehen wird.

«Wenn du ein wichtiges Amt in einem totalitären Staat übernimmst, musst du dir deiner Entscheidung bewusst sein. Unsere Aufgabe ist es, zu erzählen, wie schlimm die Menschenrechtslage in China ist», sagte John Peder Egenæs, der Chef von Amnesty International Norwegen, der Zeitung «Verdens Gang». Der einstige Ausnahmeathlet werde nur für die Zwecke Chinas benutzt, heißt es von Amnesty. Björndalen weist diese Vorwürfe von sich: «Ich konzentriere mich auf die Athleten und mache keine Gespräche über Propaganda mit irgendeinem Führer.»

Die Menschenrechtsorganisation sieht Björndalen trotzdem vor allem als eine Art Marionette. «Es ist vielleicht nicht der größte Sport, aber ihn ins Team zu bekommen, bedeutet Prestige, das für viel Ansehen sorgt», sagte Egenæs. Der Rekord-Olympiasieger lässt sich darauf nicht ein und erklärte sein Engagement ganz freundlich lieber so: «Natürlich nutzen wir gerne die Chance und helfen unserem Lieblingssport, sich weltweit zu entwickeln, in Ländern, in denen Biathlon und alle Wintersportarten ein enormes Potenzial haben.»

Von Thomas Wolfer, dpa

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