Die ukrainische Flagge weht neben der finnischen Flagge während des Biathlon-Weltcups in Kontiolahti. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Vesa Moilanen/Lehtikuva/dpa)

An einem normalen Tag hätte sich Vanessa Hinz vielleicht mehr über ihre beiden Strafrunden geärgert. Doch die Gedanken an die ukrainischen Rivalinnen lassen derzeit niemanden unberührt.

«Die Woche davor waren es noch Biathleten, jetzt sind es Soldaten. Das tut einfach im Herzen weh», sagte Hinz nach dem vierten Platz der deutschen Frauenstaffel beim Weltcup in Kontiolahti im ZDF.

Das deutsche Quartett, das bei den Olympischen Winterspielen von Peking gerade noch Bronze geholt hatte, leistete sich in Finnland zudem neun Nachlader und hatte beim Sieg Norwegens 1:57,1 Minuten Rückstand. Platz zwei ging an Schweden vor Italien. Vanessa Voigt, Hinz, Franziska Preuß und Denise Herrmann fehlten 57 Sekunden zum dritten Rang. Vor allem, weil Hinz im stehenden Anschlag eine ganz schwache Vorstellung zeigte. «Es ist mittlerweile wirklich eine Kopfsache», sagte Hinz enttäuscht: «Da gibt es keine Ausreden, das ist einfach ein Fehler meinerseits. Das war einfach nix.»

Wettkampf im Zeichen der Solidarität

Ihre Patzer waren aber nur ein Randaspekt eines Wettkampfs, der ganz im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine stand. Neben den deutschen Frauen traten viele andere mit gelb-blauen Herzen an ihren Gewehren an. Das tschechische Team erschien mit winterlicher Kopfbedeckung in den ukrainischen Nationalfarben und Norwegens Weltmeisterinnen hatten allesamt die Worte «Keinen Krieg bitte» dick auf ihren Stirnbändern geschrieben. Zudem wurden vor dem Start Bilder der ukrainischen Skijägerinnen und Skijäger auf einer großen Video-Leinwand gezeigt.

«Klar denkt man viel an die Ukrainer. Es ist krass, das geht nicht spurlos an einem vorbei», sagte Preuß. Hinz fiel es sichtlich schwer, die richtigen Worte für die Situation der Sportlerinnen zu finden, mit denen auch viele Deutsche seit Jahren eng befreundet sind. «Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll», meinte die Bayerin.

Nach der russischen Invasion in ihr Heimatland hatte die ukrainische Mannschaft beschlossen, nicht mehr bei den verbleibenden drei Weltcups in diesem Winter an den Start zu gehen. In Ex-Weltmeister Dmytro Pidrutschnji und Staffel-Olympiasiegerin Julia Dschima kämpfen die besten Biathleten ihres Landes derzeit an der Front. Auch nicht mehr am Start sind Russen und Belarussen. Sie wurden vom Weltverband IBU bis auf Weiteres ausgeschlossen. Die Rennen in Kontiolahti finden nur gut 70 Kilometer von der russischen Grenze entfernt statt.

Am Freitag folgt die Männer-Staffel

Fortgesetzt wird der drittletzte Weltcup des Winters am Freitag (14.30 Uhr/ZDF und Eurosport) mit der Staffel der Männer. Dann beginnt für Erik Lesser die Zeit des Abschiednehmens. Der 33 Jahre alte Thüringer verkündete am Donnerstag seinen Rücktritt am Ende der Saison in zweieinhalb Wochen. «Für mich war’s das. Ich packe jetzt hier meine Sachen zusammen, mache noch meine drei Weltcups und dann: Adios Amigos! Dann reicht es für mich und das passt auch ganz gut», sagte Lesser in seinem Podcast «Das Biathlon-Doppelzimmer».

Auch den Routinier beschäftigt derzeit vor allem auch die Lage der Ukrainer. «Ich kann es mir nicht vorstellen, ich bin selber Soldat», sagte der Ex-Weltmeister dazu, dass seine sportlichen Gegner nun in der Kampfzone im Militäreinsatz sind und um ihr Leben fürchten: «In so einer Situation nach Hause zu reisen und dann die Olympia-Uniform gegen die Militär-Uniform zu tauschen, um dann Familie, Freunde und dein Land zu verteidigen. Das will ich mir nicht ausmalen.»

Von Thomas Wolfer, dpa

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