Eisschnelläuferin Claudia Pechstein trägt 2006 bei der Abschlussfeier der Olympischen Winterspiele in Turin die deutsche Fahne. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Matthias Schrader/dpa)

Der Rekord lässt die Augen von Claudia Pechstein glänzen. Als erste Frau und im für Leistungssportler hohen Alter von 49 Jahren nimmt die Berlinerin zum achten Mal an Olympischen Winterspielen teil.

Ein Triumph, der sie auch angesichts einer juristisch noch immer nicht abgeschlossenen Sperre wegen vermeintlichen Dopings mit Stolz erfüllt.

«Ich weiß, dass ich nicht mehr um Medaillen mitlaufe. Aber die achte Teilnahme bedeutet mir mehr als eine Goldmedaille», sagte die fünfmalige Olympiasiegerin der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Eisschnelllauf-Europameisterschaften in Heerenveen.

Mit der achten Olympia-Teilnahme hat sich Pechstein einen Lebenstraum erfüllt. «Das ist schon irgendwie ein geiles Gefühl», sagt die Ausnahme-Athletin im dpa-Interview. Zuvor war nur der japanische Skispringer Noriaki Kasai achtmal bei Winterspielen gestartet. Neben Natalie Geisenberger (Rodeln) und Ramona Hofmeister (Snowboard) gehört die Langstrecken-Spezialistin zu den drei Kandidatinnen als Fahnenträgerin der deutschen Mannschaft bei der Eröffnungsfeier. «Es ist bereits eine große Ehre für mich, dass ich im Gespräch bin. Wenn es so kommen sollte, umso mehr», gesteht sie.

Deutschlands erfolgreichste Winter-Olympionikin

Ihre größte Sorge ist nun, dass Corona sie ausbremsen könnte, bevor sie auf dem Eis des National Speed Skating Oval steht. «Diese große Sorge haben wohl alle qualifizierten Sportler. Kurz vor dem Start noch ein positiver Corona-Test und die Arbeit der vergangenen vier Jahre wäre für die Katz», befindet Pechstein, fügt aber zuversichtlich an: «Ich bereite mich eben mental auf Olympia vor und hoffe einfach, dass ich gesund bleibe. Positive Einstellung, negative Corona-Tests.»

Neben den fünf goldenen hat Pechstein sich auch je zwei silberne und zwei bronzene Plaketten seit ihrem Olympia-Debüt vor 30 Jahren in Albertville erlaufen und ist Deutschlands erfolgreichste Winter-Olympionikin. Alle neun Medaillen verwahrt sie sicher in einem Bankschließfach. «So eine Olympia-Medaille ist ja eigentlich nicht viel Wert, was das Material angeht. Aber der ideelle Wert ist unbezahlbar», begründet die Beamtin der Bundespolizei diese Vorsichtsmaßnahme.

Von der Vorstellung, dass in China eine olympische Jubiläumsmedaille ihre stattliche Sammlung vergrößern könnte, hat sich die sechsmalige Weltmeisterin längst verabschiedet. «Das ist illusorisch, darüber nachzudenken», gibt sie unumwunden zu. Ausgeschlossen aber ist es dennoch nicht.

Keine Ambitionen auf Medaillen

In Peking tritt sie am 19. Februar im Massenstartrennen an, das wegen der Rangeleien und Rempeleien im Kampf um Runden- und Punktgewinne von Unwägbarkeiten und auch Überraschungssiegen geprägt ist. «Das stimmt zwar, aber trotzdem bin ich Realist und sage, dass ich keine Olympia-Medaille mehr holen kann. Aber das ist auch nicht schlimm, denn ich habe ja neun olympische Medaillen», sagt Pechstein.

Die als sehr zielstrebig und enorm ehrgeizig geltende Berlinerin wirkt im Vorfeld der am 4. Februar beginnenden Winterspiele gelöst. Fast scheint es, als habe sie mit ihrer Rekordteilnahme an Gelassenheit gewonnen. «Ich bin relativ entspannt. Ich bin nicht täglich im Training, denn der Körper braucht ja auch mal ein bisschen Zeit und Pause», sagt sie.

Während Pechstein sportlich mit sich im Reinen zu sein scheint, lässt sie die zweijährige Zwangspause von 2009 bis 2011 noch immer nicht zur Ruhe kommen. Vom Eisschnelllauf-Weltverband (ISU) war sie aufgrund auffälliger Blutwerte offiziell wegen Dopings gesperrt worden. Im Nachhinein war eine vererbte Blutanomalie festgestellt worden. «Ich bin nicht wegen Dopings gesperrt worden. Weil den Sportrichtern damals die Hinweise auf eine Blutanomalie als Ursache für meine schwankenden Werte nicht ausreichten, mutmaßten sie, ich müsste gedopt haben», sagt die Sportlerin, die zwei Tage nach Abschluss der Peking-Spiele 50 Jahre alt wird.

In allen sport- und zivilrechtlichen Prozessen hatte sie anschließend verloren. Ihre Schadensersatzansprüche sind nach eigener Aussage beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Sie wolle definitiv den Weg des Schadenersatzgesuchs weitergehen. «Siegen oder sterben ist sinnbildlich mein Motto für das Verfahren, mit dem sich derzeit das Bundesverfassungsgericht beschäftigt», sagt sie kämpferisch und ergänzt: «Ich werde bis zum Ende kämpfen, und wenn ich bis zum Europäischen Gerichtshof gehen muss, gehe ich auch dahin.»

Von Martin Kloth, dpa

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