Franziska Preuß (hinten Mitte) genießt oft die Kulisse von tausenden Fans in den Biathlon-Stadien. (Archivbild) (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Biathlon ist vielen der Generation Z ein Fremdwort. Zwar ist der Mix aus Skilanglauf und Schießen seit Jahren der beliebteste TV-Wintersport für die Deutschen, doch beim jüngeren Publikum spielt er in Zeiten von Instagram, Tiktok und Twitch noch keine bedeutende Rolle. Der Biathlon-Weltverband IBU startet an diesem Wochenende in München nun einen besonderen Versuch, um auch die nachrückenden Generationen zu begeistern.

«Das ist eine Investition in die Zukunft», sagte IBU-Sportdirektor Daniel Böhm der Deutschen Presse-Agentur vor der Premiere des Loop-One-Festivals, das als innovative Saisoneröffnung im Olympiapark mit einem Mix aus sportlicher Action und Unterhaltung neue, jüngere Zielgruppen ansprechen soll.

«Der Sport kommt zu den Menschen und nicht sie in den Wald», sagte Staffel-Olympiasieger Böhm (39). Dazu gibt es Festivalcharakter mit Musik und Mitmachaktionen. Neben Weltcupgesamtsiegerin Franziska Preuß sind auch internationale Stars wie der Norweger Sturla Holm Laegreid dabei. «Wir müssen uns damit auseinandersetzen, jüngere Zielgruppen früher abzuholen, über andere Kanäle, andere Formate», erklärte Böhm. 

Junge Fans gesucht: Halbe Stunde im Kreis laufen reicht nicht 

Und das ist wichtig, denn das Konsumverhalten hat sich drastisch verändert. Zwar war laut ARD Biathlon im vergangenen Winter bei einem Marktanteil von rund 26 Prozent und im Schnitt mit etwas mehr als drei Millionen TV-Zuschauern pro Rennen die am meisten gesehene Sportart abseits des Fußballs. 

Doch das lineare TV ist für die Jugend uninteressant, es wird gestreamt. Social Media mit seinen kurzen, unterhaltsamen Clips hält sie oft stundenlang am Tag am Handy – Konsum im Schnelldurchlauf. Mehr als die Hälfte der 15-Jährigen kommt laut Studien pro Woche auf mehr als 30 Stunden Bildschirmzeit, ein Viertel sogar auf mehr als 60 Stunden. 

Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne der Generation Z – Menschen geboren zwischen 1995 und 2010 und damit die erste Generation, die vollständig im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist – wird auf nur noch rund acht Sekunden geschätzt. Die absolut schnellsten Biathleten brauchen für eine Schießeinlage rund 15 Sekunden. Die längsten Rennen dauern über eine Stunde. 

Unterhaltung wie beim Football?

Eine der Prioritäten der IBU in ihrem Gesamtstrategieplan bis 2030 ist es, wie man die Events im Stadion und den Sport selbst noch zukunftsfähiger gestalten kann. «Gerade vor Ort ist die Frage, wie bekomme ich die jüngere Generation in zehn Jahren noch dazu, im Winter live ein Sportevent anzuschauen», sagte Böhm. «Da reicht eine halbe Stunde im Kreis laufen wahrscheinlich nicht aus.» 

Man wolle keine amerikanischen Sphären wie beim Football, «wo jede Sekunde und jede Pause verkauft ist, und es tanzt einer mit einem Ei über den Schießstand», so Böhm. Aber beim Massenstart, wo die Athleten sechs, sieben Minuten auf der Strecke sind, «könnte man kurz was im Stadion machen und Momente schaffen, die du nur bekommst, wenn du live vor Ort bist». 

Münchner Festival als Testballon

Für diese große Herausforderung sei München ein idealer Test. Insgesamt investiert die IBU in Bayerns Hauptstadt einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag. Vorerst sind drei Auflagen geplant, danach wird evaluiert.

«Ich finde es cool, vor allem in München. Für uns Ruhpoldinger ist das fast vor der Haustür», sagte Verfolgungs-Weltmeisterin Preuß, die bei der Vorstellung der Pläne auch Hoffnungen auf eine besondere Stimmung äußerte: «Jeder hat die Sportevents in den letzten Jahren in München verfolgt, da war immer Begeisterung. Es wäre natürlich cool, wenn Biathlon das auch auslöst.»

Das neue rasante Wettkampfformat ist auf Tempo und Spannung ausgelegt. Sechs Wochen vor dem Start des Olympia-Winters treten in den Hauptrennen am Sonntag (ab 11.00 Uhr) 60 Männer und 60 Frauen in jeweils vier Vorläufen an. Bei dem sogenannten Super-Sprint werden allerdings keine Weltcup-Punkte vergeben. Für die Rennen wird auf einem Teil des Sees im Olympiapark ein temporärer Schießstand mit 15 Bahnen errichtet. Geschossen wird mit normalen Kleinkaliber-Gewehren, gelaufen ohne Schnee natürlich auf Skirollern.

Verband hat Social Media im Fokus

Beim Thema Social Media ist der Weltverband bereits in den letzten Jahren aktiv geworden. In den letzten drei Saisons stiegen die Reichweite, die Videoaufrufe und die Interaktionen der IBU über ihre Kanäle um 300 bis 400 Prozent an. So wurden in der vergangenen Saison unter anderem insgesamt über 220 Millionen Videoaufrufe registriert.

«Biathlon hat alles, was nötig ist, um die Fantasie der nächsten Generation zu beflügeln. Aber wir müssen die Art und Weise, wie wir unseren Sport präsentieren und teilen, kontinuierlich anpassen», sagte IBU-Kommunikationsdirektor Christian Winkler. Bis 2030 will der Verband die weltweite Fangemeinde verdreifachen.

Klimawandel weitere Bedrohung

Neben den Fans von morgen ist eines der Hauptprobleme wie für fast alle Wintersportarten der Klimawandel. Sind Veranstaltungen wie in München, wo die Biathleten auf Skirollern und Beton unterwegs sind, die Zukunft? 

«Jein. Aber es ist eine Art und Weise, für die Zukunft präpariert zu sein», sagte Böhm. Er glaubt, dass man durch «gutes Schneemanagement und Kunstschneeproduktion in den nächsten 15, 20 Jahren noch Wintersport auf höchstem Level» durchführen kann. 

Aber er sieht große Probleme für den Nachwuchs. «Wo rekrutiert man noch Athleten, wenn der Schnee fehlt», meinte der Staffel-Weltmeister von 2015. Mit Skirollern könnte man sehr gut für die Wettkampfsaison trainieren und Biathlon erhalten. «Die Frage ist, ob sich dann langfristig das Gesamtprodukt auch ändern muss und dennoch weiterhin Anklang findet. Darauf wollen wir uns, etwa mit Loop One, vorbereiten.»

Von Sandra Degenhardt, dpa

Von