Zum Abschluss Vierter im Massenstartrennen: Erik Lesser. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Vesa Moilanen/Lehtikuva/dpa)

Nach dem furiosen Ende seiner langen Karriere holte sich Erik Lesser erstmal ein Küsschen seiner Liebsten ab.

Unter dem Jubel der tausenden Fans und der Huldigung seiner Teamkollegen und Konkurrenten warteten im Ziel am legendären Osloer Holmenkollen seine Lebensgefährtin Nadine und Töchterchen Anouk. Ihnen gilt künftig die ganze Aufmerksamkeit des 33 Jahre alten Biathleten im Ruhestand.

«Ich muss arg mit den Tränen kämpfen, dass ich hier nicht zu weich werde», sagte der sonst eher rationale Lesser im ZDF. Trotz seiner grandiosen Abschiedsvorstellung mit dem Verfolgungssieg und Platz vier am Sonntag im abschließenden Massenstart ist aber klar: einen Rücktritt vom Rücktritt wird es nicht geben. «Auf keinen Fall», sagte Lesser.

Lesser lieferte ab

Kitschiger hätte es sich Lesser kaum ausmalen können: Denn nach seiner Abschiedsankündigung vor drei Wochen lieferte er ab wie selten zuvor. Krönung war sein dritter Weltcupsieg und die Audienz beim norwegischen König Harald an der Wiege des nordischen Skisports und bei perfektem Wetter. «Ich bin absolut baff. Ich kann den Sieg und die ganzen letzten drei Wochen noch nicht ganz verarbeiten», sagte der Thüringer, der zuvor den zweiten Platz von Franziska Preuß im Massenstart bejubelt hatte. Hätte er nicht in seiner Paradedisziplin, dem Liegendschießen, zwei Fehler geschossen, hätte er wieder um den Sieg mitgekämpft.

«Er wird fehlen», sagte Denise Herrmann. Sein langjähriger Freund Arnd Peiffer, der extra für die Abschiedsfeier seines früheren Zimmerkollegen angereist war, meinte: «Es geht Deutschland ein guter Athlet verloren. Aber ich glaube, in ihm steckt ein extrem guter Trainer.»

In Ex-Weltmeister Lesser geht nach Olympiasieger Peiffer (34) und Ex-Weltmeister Simon Schempp (33) der nächste Leitwolf. Und einer der meinungsstärksten und kritischsten Athleten, vor allem sich selbst gegenüber. Seine Meinung wird nach wie vor gefragt sein, vielleicht auch als TV-Experte. «Das kann ich mir vorstellen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt macht er aber erstmal Urlaub – in Norwegen. Dann nimmt er sich eine längere Auszeit, stellt die Familie in den Mittelpunkt. Danach geht er seine Trainerausbildung an. Der Weg ist mit dem deutschen Verband schon seit längerem abgesteckt.

Licht und Schatten

Auch Franziska Preuß belohnte sich zum Ende einer für sie frustrierenden Saison noch mal. Preuß hatte wegen einer Fußverletzung sowie einer Corona-Infektion lange pausieren müssen, kam ins Zweifeln und konnte ihr Potenzial kaum ausschöpfen. Nach Olympia-Bronze mit der Staffel lief es aber zum Saisonende hin immer besser. «Es war eine harte Zeit, die brauche ich nicht noch mal. Wenn alles normal laufen würde, bin ich dabei und das muss ich als Motivation in die Vorbereitung auf die neue Saison mitnehmen», sagte die 28-Jährige.

Insgesamt erlebten die deutschen Skijäger eine Saison mit Licht und Schatten. Herausragend waren der Einzel-Olympiasieg von Denise Herrmann und Olympia-Bronze der Frauen-Staffel, die Männer blieben beim Höhepunkt zum zweiten Mal nach 2010 ohne Medaille. Während die Frauen nur einen Weltcuperfolg durch Herrmann holten, standen bei den Männern in Johannes Kühn, Benedikt Doll und Lesser drei Athleten ganz oben. Insgesamt holte das deutsche Team 17 Podestplätze, sechs die Frauen und neun die Männer, dazu zwei in den Mixed-Staffeln.

Nach den Rücktritten von Lesser, Maren Hammerschmidt und Karolin Horchler ist abzuwarten, ob nicht auch Herrmann aufhört. Die 33-Jährige hat sich ihre sportlichen Ziele erfüllt, baut mit ihrem Verlobten Thomas Wick in Ruhpolding ein Haus und will irgendwann eine Familie gründen. Gut möglich, dass auch sie noch vor der Heim-WM im kommenden Jahr in Oberhof servus sagt. Vanessa Voigt (24) zeigte mit ihrem ersten Weltcup-Podest als Sprint-Zweite von Otepää ihr Potenzial. Und auch die bei Olympia nicht berücksichtigte Janina Hettich kam zum Saisonende hin wieder besser in Form.

Von Sandra Degenhardt, dpa

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